Rede zur Fahnenhissung am Tag gegen Gewalt an Frauen
Am 26. 11. 2018 durfte ich am Brandenburgischen Landtag, als Sprecherin des Frauenpolitischen Rates Brandenburg (FPR) sprechen anlässlich des Tages gegen Gewalt an Frauen. Vor mir durfte die „frauenpolitische Sprecherin“ der AfD sprechen. Daher ist diese Rede ein Protest gegen die Vereinnahmung solcher Tage von Rechten um ihre Hetze zu instrumentalisieren:
„Eigentlich ist es abscheulich, dass wir gezwungen sind, an einem Tag an dem es um Gewalt an Frauen geht, auch Gegenwehr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit in den Vordergrund zu rücken müssen, wo es doch eigentlich um ein so drängendes Thema geht – um Gewalt, Misshandlungen, ja um den gewaltsamen Tod von Frauen. Die Zahlen haben meine Kolleg*innen der demokratischen Parteien und Institutionen bereits benannt.
Es ist ein Spin, den die AFD immer wieder bringt: Jedes Thema zu missbrauchen als Schaubühne rassistischer Hetze. Es ist verachtenswert, dies auf dem Rücken von 140.000 Frauen auszutragen, die letztes Jahr Opfer von Gewalt in Deutschland wurden.
Wenn es ihnen wirklich um diese Frauen gehen würden, dann würden sie nicht gegen die Förderung von Gleichstellungspolitik, die sich auch mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt, hetzen; sie hätten in ihrem Wahlprogramm wenigstens einen einzigen Satz zu der Thematik zu stehen – oder würden auch dann zu Demonstrationen und Trauermärschen aufrufen, wenn der Täter ein Deutscher war. Tun sie aber nicht, denn es passt nicht in das Bild, das sie zeichnen wollen!
Die AfD malt ein Bild, in dem nur die anderen die Täter sind. Ein Bild, in dem alle Frauen nur noch verschleiert durch Brandenburg laufen. Ein Bild, das jeglicher Grundlage entbehrt und absichtliche falsche Fakten verbreitet, um Hass gegen andere Religionen und Menschengruppen zu schüren. Das Spiel mit der Angst ist hier besonders perfide, da Frauen eine berechtigte Angst vor Gewalt haben. Diese passiert aber vor allem im privaten Raum. Nicht auf der Straße von irgendwelchen Fremden, sondern meist von Menschen, die sie kennen – dem eigenen Ehemann oder Lebenspartner, Freunden, Verwandte… Wie passt das mit dem Bild zusammen, das die Rechten malen? Eben – gar nicht.
Die meisten Täter sind und waren auch schon vor 2015 Deutsche. Das Problem der Gewalt auf einen Staat, auf eine Kultur oder auf eine Religion zu beschränken, ist in Anbetracht dessen, dass es heute der „internationale“ Tage gegen Gewalt an Frauen ist – und wir überall auf der Welt die gleichen Kämpfe führen – einfach falsch. Wer den Diskurs auf eine Tätergruppe beschränkt, nur um das Thema für rassistische Hetze zu instrumentalisieren, dem geht es nicht um die betroffenen Frauen und um Bekämpfung von Gewalt – um das, was hier heute im Mittelpunkt steht!
Wir stehen hier und demonstrieren Solidarität mit allen Opfern von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Wir verurteilen alle Formen von Gewalt gegen Frauen, unabhängig vom Hintergrund des Täters. Wir verstehen, dass toxische Maskulinität, Angst vor Verlust der eigenen Privilegien und Machtausüben oder Verfügen über den weiblichen Körper in verschiedensten Formen in allen Kulturen und Religionen auftritt. Ich habe selbst in beratender Tätigkeit mit Betroffenen gearbeitet und weiß, dass das Trauma und die Fragen der Betroffenen nichts mit der Nationalität der Täter zu tun haben.
Wir wollen Frauen bestärken, empowern, unterstützen – nicht beschützen. Dazu gehört, dass sie über ihre Lebensentwürfe, ihren Körper, ihre Sexualität und das, was sie Anziehen, selbst bestimmen können. Die AfD will die Frau am Herd und als Mutterikonen – denn, Zitat: „echte Deutsche machen wir schließlich selbst“. Als Historikerin habe ich Plakate der der 1930er Jahre gesehen die ähnliche Vorstellung propagierten.
Sie sehen Frauen nicht als gleichberechtigte Bürgerinnen. Der Anteil von Frauen in ihren Fraktionen ist erschreckend klein. Kein Wunder also, dass die AfD deutlich seltener von Frauen gewählt wird, nämlich nur zu 7%, im Vergleich zu 20% bei dem Männern. 93% der Frauen wissen, dass es mit der AfD keinen Einsatz für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen geben wird.
Sie wollen keine sexuelle Selbstbestimmung. Sie machen Plakate mit Bikini-Popos, auf denen sie Frauen Objektifizieren, denn, Zitat: „Bikinis seien besser als Burkas“. Der Körper der Frau wird somit zur Kampffläche für ihren Rassismus. Als ob sie Frauen von der Unterdrückung befreien wollten, wenn sie die Burka verbieten. Ihnen geht es um Hass gegen eine Religion, gegen eine Kultur. Der Schutz von Frauen vor Gewalt und Unterdrückung und die Selbstermächtigung der Frauen sind Ihnen egal.
Sonst würden sie tatsächliche Selbstbestimmung auch darin sehen, dass eine Frau frei über ihren Körper entscheiden kann – darüber, was sie anzieht, ob sie Kinder möchte und wann und wie sie angefasst werden möchte – oder nicht. Die Objektifizierung von Frauen als Mutterikone oder Bikini-/Burka-Trägerin ist eine der Grundlagen für Gewalt gegen sie, denn sie entmündigt Frauen erneut und reduziert sie auf die Sichtbarkeit für andere, Sorge für andere, auf die Verfügbarkeit für andere.
Emanzipation ist es erst dann, wenn sich Frauen frei entscheiden und in ihrer Vielfalt ausleben können. Diese Freiheit, die auch Freiheit vor Gewalt heißt, wollen sie den Frauen nicht zugestehen – und daher gehört die AfD hier nicht her.“